„Inspiriert von“ kontra „Bearbeitung“

Ist einem eigentlich immer klar, wie dünn die Grenze zwischen sich von einem Werk inspirieren und ein Werk bearbeiten sein kann? Und dass man einen Rechtsverstoss riskiert, wenn man den Unterschied nicht klar genug macht und dann auch nicht entsprechend vorgeht?

Ein Werk bearbeiten heisst, dass man das neue Werk („Werk zweiter Hand“) ausgehend von einem vorbestehen Werk erschaffen hat. Die Bearbeiterin/der Bearbeiter eignet sich das Werk an und verwandelt es: sie/er verändert die Form oder arbeitet es z.B. in einen Film oder ein Stück um. Um ein Werk bearbeiten zu dürfen, braucht man immer zuerst die Einwilligung seiner Urheberin/seines Urhebers. Denn das Gesetz gibt der Urheberin/dem Urheber das „ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann und wie das Werk geändert werden darf“.

Sich von einem Werk inspirieren ist hingegen frei erlaubt! Aber nur, wenn das vorbestehende Werk in seinem individuellen Charakter im neuen Werk nicht erkennbar ist. Erkennbar ist es jedoch, sobald seine eigene Prägung und sein Grad an Neuheit – und sei der nur schwach – im Werk zweiter Hand hervortritt. Es reicht auch schon, dass die erkennbare Individualität nur in einem Teil des Werks vorkommt, oder eine seiner Figuren betrifft.

Warum aber sieht man dann so häufig die Formulierung „frei inspiriert von“ oder „frei nach“ auf Theaterplakaten oder in Abspännen von Filmen? Häufig wird guten Glaubens gesagt, dass man seiner Inspirationsquelle die Ehre erweisen will. Dabei geht aber vergessen, dass eine solche Erwähnung auch als Verkaufsargument verstanden werden kann, welches die Anziehungskraft des neuen Werks steigern soll.

Es ist also eigentlich recht einfach:

  • Entweder ist das vorbestehende Werk erkennbar in seinem individuellen Charakter. In diesem Fall die Erlaubnis seiner Urheberin/seines Urhebers nicht einzuholen bedeutet, dass man gegen das Urheberrechtsgesetz verstösst;
  • Oder aber das erste Werk ist nicht erkennbar, und man muss also genau überlegen, aus welchen Gründen man die Inspirationsquelle nennt.